Jeder einigermassen Motorsportbegeisterte weiss, um was es sich bei ‚HANS‘ handelt: Ein System, das Rennfahrer vor starken Verletzungen im Kopf- und Halsbereich schützt. Daher der Name: Head And Neck Support. HANS besteht aus einem Schulterkorsett, das mit dem entsprechenden Helm des Fahrers verbunden und dem Sicherheitsgurt fixiert ist. Im Falle eines Unfalles entlastet HANS die Halswirbelsäule und reduziert die beim Aufprall auftretenden Kräfte bzw. leitet diese in das Gurtsystem ab.
Entwickelt wurde HANS von Dr. Robert Hubbard an der Michigan State University. 1981, als sein Schwager Jim Downing auf ihn zukam. Dr. Hubbard arbeitete mehrere Jahre bei General Motors in der Entwicklung von Sicherheitsvorkehrungen. Warum Downing Dr. Hubbard aufsuchte? Ein Rennfahrerkollege und enger Freund von Downing erlag am 09. Juli 1981 bei der Einlieferung ins Morrow County Hospital in Mount Gilead in Ohio seinen Verletzungen. Verletzungen, die er sich zugezogen hatte, als er den Eingang in Kurve 7 des Mid Ohio Sports Car Course verpasste und mit der Front seines Fahrzeuges in die Sandbank einschlug. Dr. Hubbard stellte fest, dass sich der Fahrer des Wagens mit der Nummer 77, eine massive Schädelfraktur zuzog, die hätte vermieden werden können, wenn der Schädel in ähnlicher Weise zurückgehalten worden wäre wie sein Körper. Der Fahrer des Wagens mit der Nummer 77 hatte zu diesem Zeitpunkt 5 Rennen der 1981er IMSA Camel GT-Series bestritten und war zu Testzwecken auf dem Mid Ohio Sports Car Course unterwegs. Tests, die der Abstimmung seines Fahrzeuges dienten, das mit seinem Heckantrieb und Mittelmotor überaus schwer zu beherrschen war. Ein Fahrzeug, das neu war in der 1981er Saison. Aber nicht nur neu in der Saison war sondern neu in der Serie und 1981 überhaupt erst auf den Markt kam. Die Ambition des Fahrers war, den Absatz des Renault 5 in den US durch Erfolge in der populären IMSA Camel GT-Serie anzukurbeln. Dies deshalb, weil der Fahrer Mitarbeiter von Renault USA war.
Patrick Jacquemart
*17. März 1947 +09. Juli 1981
Hierzulande ist wenig bekannt über Patrick Jacquemart.
Auch über sein Auto finden sich nur mässig Informationen. In den einschlägigen Büchern ist der Auftritt von Patrick und seinem LeCar Turbo nur kurz beschrieben – weil nur wenig darüber bekannt ist. Das Internet gibt ebenfalls nur wenig Aufschluss und lässt die Geschichte nur mit viel Phantasie lebendig werden. Ich habe aus Ehrgeiz eine kleine Recherche begonnen und bin zum einen und anderen überraschenden Ergebnis gekommen… begonnen hat es, als in einem namhaften Internet-Auktionshaus Bilder aus der 81er IMSA-Saison angeboten wurden die ich sodann gekauft habe. Im Kontakt mit dem Verkäufer stellte sich heraus, dass dieser damals offizieller Fotograph der Serie war und Patrick persönlich kannte.
Bilder von B. NooneyEin erster Anhaltspunkt – er hat Patrick als fähigen aber sehr bodenständigen Renningenieur in Erinnerung. Diesen Eindruck bestätigt der Eintrag eines Users in einer Fototauschbörse, der ebenfalls von einem zuvorkommenden und nahen Menschen Patrick Jacquemart spricht.
Die Frage an den Fotographen, ob er wüsste, ob, wie von Peter Meaney im Buch ‚The forgotten french Supercar‘ erwähnt, ein oder zwei Fahrzeuge existierten leitete er prompt an Jim Downing weiter. Von diesem kam leider keine aufschlussreiche Antwort: es könne sein, dass ein zweites Auto gebaut wurde. Auf sunspeed.com liest man vom Verkauf eines „IMSAs“, offensichtlich ist der Eintrag schon mehrere Jahre alt. Es ist der Name Gunnar Van der Steur genannt. Nach diesem Namen gesucht findet man einen Rennfahrer im New Yorker Raum. Auch Meaney berichtet von der Restauration eines zweiten ‚the roller‘ genannten Fahrzeuges in New York… das Fahrzeug, in dem Patrick ums Leben kam wäre, so Meaney, zwischenzeitlich in einem Museum in Arizona. Die Suche nach diesem Fahrzeug erweist sich als erfolglos – der Konzern ‚U-Haul‘, eine Autovermietung, der diese Sammlung offensichtlich betreibt, antwortet genauso wie Gunnar van der Steur auf emails aus Süddeutschland nicht.
Gibt es womöglich einen zweiten ‚IMSA‘? Dies herauszufinden scheint schwer. Die Anschreiben von Betreibern inoffizieller IMSA-Seiten werden zwar beantwortet, bringen jedoch keine weiteren neuen Erkenntnisse – der Eindruck entsteht, dass diese über Patrick und seinen ‚IMSA‘ nicht mehr wissen als ich auf der anderen Seite des Atlantiks. Aus diversen Datenbanken lassen sich Ergebnislisten lesen:
Road Atlanta, 12. April 1981, 3. Platz
Riverside International Raceway, 26. April 1981, Ausfall
Laguna Seca, 3. Mai 1981, 3. Platz
Lime Rock 24. Mai 1981, Ausfall
Mid Ohio Sports Car Course, 31. Mai 1981, Ausfall
Bilder von ehfone2007Auf vielen Internetseiten wird der Name Patrick Jacquemart mit der Entwicklung des HANS-Systems in Verbindung gebracht. Aber nirgends ist vom Verbleib der Fahrzeuge zu lesen… bis eine weitere, mit viel Atem geführte Internetrecherche endlich eine neue Fährte auftut: es wird davon berichtet, dass es 3 Fahrzeuge gab. Nach dem Tod von Patrick wurde das Renault USA-Rennteam aufgelöst und zwei der drei Fahrzeuge samt Teilen verkauft. Das Rennauto, in dem Patrick sein Leben liess, wurde beim Unfall zerstört, sein Verbleib ist nicht mehr nachzuvollziehen. Das zweite Auto, der Ersatzwagen, steht nach dieser Quelle, in Arizona - was sich mit der These von Peter Meaney deckt. Das weitere, dritte Fahrzeug war ein Promotionsauto, das mit dem Rennteam von Rennstrecke zu Rennstrecke zog um den Verkauf des LeCars zu unterstützen. Dieses Fahrzeug ist offenbar das, was von Gunnar van der Steur im New Yorker Raum in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde und auch im Zuge der Historic Sportscar Racing-Series 2003 in Watkins Glenn und Road Atlanta eingesetzt wurde.
Wo dieses Auto mittlerweile abgeblieben ist… darüber berichte ich vielleicht an anderer Stelle einmal
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Bilder von classic-road.comZurück zum HANS-System: wie viele Rennfahrer-Leben durch den Tod von Patrick Jacquemart gerettet wurden lässt sich sicherlich nicht benennen. Sicher ist jedoch, dass die Renault 5 Turbo-Szene durch Patrick’s Wirken etwas bunter geworden ist. Und durch seinen Tod etwas ärmer.
Thank you, Patrick! Rest in peace.
LeCar5
Edit: wer weitere Bilder von Patrick und seinem LeCar Turbo hat möge sie bitte in der Gallery unter IMSA einstellen!