Autor Thema: Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr. Oder frei nach  (Gelesen 4598 mal)

Offline lecar5

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Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr. Oder frei nach
« am: April 30, 2016, 00:14:44 Vormittag »
Heinrich von Kleist: die Markise von A....

Folks,

Nachdem es zur Zeit eher ruhig ist im Forum komm ich mal wieder ausm Loch mit einem diy-tutorial. Naja, für ein tutorial hätte wohl eher ein Video auf youtube hochgeladen. Soll der Sache aber keinen Abbruch tun, mit ein bisschen handwerklichem Verständnis und Geschick ist die Sache recht einfach nach zu machen.
Es geht wieder einmal um Reparatur und Neu-Bezug eines Dachhimmels. Das Auto sei kurz vor der Fertigstellung, haben zuverlässige Quellen verlauten lassen, also wird es Zeit für mich. …ich meine fast, ich muss mir den April und Mai künftig für Reparatur-Arbeiten im Forum reservieren – letztes Jahr waren es die Räder vom Präsi: http://www.renault5turbo.de/forum/fahrwerk-bremse-und-rader/restauration-gotti-5t-oder-die-zeche-bezahlen-oder-des-prasis-rader/

Wie gesagt, Dachhimmel. Das typische Phänomen, vor allem am Turbo2, ist dass der Bezugsstoff mit der Zeit immer gechillter wird und irgendwann abhängt. Schön ist das nicht, zumal der verwendete Stoff rückseitig mit Schaumstoff kaschiert war und dieser im Laufe der Zeit deutlich an Kohäsion verliert. Der einstige Schaumstoff wird fest und ist von der Konsistenz eher in die Kategorie Bauschaum einzuordnen. Berühren wird mit Zersetzen quittiert, grundsätzlich nicht schön und in einem komplett überarbeiteten Auto nicht akzeptabel.
Genug des Vorgeplänkels, die Story zum Auto findet ihr hier: http://www.renault5turbo.de/forum/turbos-und-umbauten/lang-genug-gewartet-(turbo-2)/

Der Auftrag: Dachhimmel reparieren und schwarz beziehen. Unbedingte Originalitätsansprüche wie vom Präsi zu seinen Gottis geäusssert gabs nicht. Schwarz halt.

Die Ausgangsbasis sieht so schlecht zunächst nicht aus. Der Stoff ist bereits abgezogen. Oder einfach nicht mehr da weil komplett abgehangen. Der Ausbau des Karton-Trägers hat offensichtlich ganz gut funktioniert, nur kleinere Schadstellen sind entstanden. Allerdings hat sich, warum auch immer, die Verklebung des Rahmens gelöst.



Auf der Unterseite allerdings wird sichtbar, wie in den 1980er Jahren eine Telefon-Antenne im hinteren Bereich des Dachs eingebaut wurde. Der Himmel wurde von der Heckklappe nach vorne partiell abgezogen um mit Bohrer und Werkzeug ein Loch und später Antenne in die Dachhaut zu kriegen. Der Kartonträger es Himmels besteht bekanntermassen aus Wellkarton, dieser hat sich querzugsseitig zerlegt und ist flächig eingerissen:








Wie der Dachhimmel der ‚richtigen‘ Turbos ist auch der des Turbo2 geprägt. Diese werde ich nur bedingt nachformen können. Eine Idee hierzu habe ich bereits.





Im ersten Arbeitsschritt kratze bzw. schabe ich mit einem Kunststoff-Spatel die hart gewordene Schaumstoff-Kaschierung des alten Stoffs ab:



Was eine Sauerei! …aber anders als im Gotti-Threat soll sich der Spruch nicht durch diese Doku hier ziehen… .



Dann liegt er vor mir, so ganz nackt. Der Controller in mir ist begeistert von der Einfachheit des Aufbaus, absolute Herstellkosten-Optimierung: einfach Wellkarton, seitlich wie vorne und hinten nur hochgebogen und rückseitig mit Rahmen-Traversen verklebt. Der Freak in mir ist entsetzt! Eine Machart wie in einem 10 kDM (das war die Währung in Deutschland vor 2001)-Auto, völlig unpassend! Und, wie ich mich erinnere, auch um Welten einfach als in Godseys Turbo. Schlimm!



Jetzt geht’s los: zunächst verklebe ich die Antennen-Einbau-Aktion-Schadstelle vor der Heckklappe. Mein Lehrmeister würde mir jetzt übers Maul fahren: ich verwende wie schon bewährt Holzleim, also heisst es verleimen, nicht verkleben. Hier ist die Form schon wieder hergestellt:



Im nächsten Schritt wende ich mich der sich lösenden Front-Traverse zu. Spalt aufbiegen, Holzleim einbringen und niederdrücken. Mit der Pump-Sprühflasche trage ich etwas Wasser feinzerstäubt auf, damit sich der Karton einfacher legt. Anschliessend beschwere ich die Leimstellen.



Parallel dazu verstärke ich den hinteren Bereich. Zum Einsatz kommt handelsübliche Graupappe, in diesem Zug ein freundlicher Gruss an the Stig, der mit Rat und Karton zur Seite stand. Graupappe eignet sich dahingehend, dass sie keine Richtung hat und nicht gestrichen oder beschichtet ist. Bei vorsichtigem Formen knickt sie nicht und lässt sich mit etwas Wasser auch vorsichtig in Form bringen.
Ich schneide ein Reparaturstück zurecht, biege es entsprechend der Form, streiche es mit Holzleim ein und besprühe es ebenfalls mit Wasser.





Sieht wild aus, ist es auch :). Schwierig ist immer das pressen. Mit dem anfeuchten mit der Pump-Sprühflasche ist nicht ganz so viel Presswerkzeug nötig, da sich die Graupappe eben schon der Form des Himmels anschmiegt und sich der Kontakt zum Kartonträger  -natürlich nur bedingt- von selbst ergibt.

Soweit vorerst zum Kartonträger. Der soll jetzt erst einmal trocknen. Ich widme mich einem Test, wie ich die Prägung des Bezugs herstelle. Die an Godseys Himmel haben wir durch eine zweite, in Form geschnittene Lage Schaumstoff hergestellt. Mit dem Effekt, dass der Himmel recht schwer und ziemlich ‚plüschig‘ war. Das muss besser gehen… der Plan: die Kaschierung des Stoffs wie eine Nut vom Stoff lösen. Ich probiere es am Stoff, den ich verbauen werde. Mit einem Cutter-Messer durchtrenne ich den Schaumstoff, parallel zum ersten Schnitt ein zweiter. Klar, die Befürchtung, den Stoff durchzuritzen besteht durchaus… aber es klappt:



 

Und sieht tatsächlich ganz gut aus, daraus lässt sich etwas machen:



Der Plan ist, die Prägung des Himmels mit solchen Nuten in der Kaschierung herzustellen. Soll heissen, der Stoff wird natürlich flächig verklebt aber vor allem in den Bereichen, in denen ich die Kaschierung entfernt habe, besonders mit dem Kartonträger zu verkleben. Müsste gehen. Unbedingte Voraussetzung ist halt, dass ich die sichtbare Stoffschicht nicht durchtrenne...

Btw: ich muss noch immer über den Titel ‚die Markise von A…‘ schmunzeln :). Für die Literatur-Verächter gibt’s die Auflösung hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Marquise_von_O....



To be continued.
« Letzte Änderung: Mai 14, 2016, 23:17:36 Nachmittag von lecar5 »
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Offline Zeitlupenschrauber

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Re: Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr. Oder frei nach Heinrich von Kle
« Antwort #1 am: Mai 10, 2016, 21:48:33 Nachmittag »
Hi

etwas so änliches hab ich auch bei mir stehen

wie wäre es in der Dachhälfte ein paar GFK Himmelträger à la GADOUD zu machen  ^-^ ^-^ ^-^ ?

PS: Ich bringe dir gerne die Dachhälfte vorbei ;) ::) ;D
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Offline godsey

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Moin,

die Pappenrekonstruktion ist mal wieder genial!

Allerdings kann ich mir nicht so richtig vorstellen, wie das mit der nachgeahmten Prägung klappen kann. Gerade den kaschierten Stoff muss man ja ziemlich strecken um ihn faltenfrei aufkleben zu können. Damit dürften die geraden Linien der Prägung dann Geschichte sein.

Ich fand die Methode, die wir bei meinem Himmel angewendet hatten eigentlich ziemlich schnell und effektiv. Was spricht gegen die Steifentechnik?

CU
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Offline meahb

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Offline The Stig

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....moin Jungs :)

Ich habe gerade beim Sattler einen Himmel machen lassen, hat super geklappt, bin zufrieden.
Er hat das mit Streifen gelöst, anbei ein paar Bilder.

An einem oder zwei GFK Himmeln hätte ich auch Interesse, da man ja einen Papphimmel nicht wirklich mehr bekommt :(

....Tom :)
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Offline lecar5

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Re: Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr.
« Antwort #5 am: Mai 11, 2016, 13:09:09 Nachmittag »
Ja, ich komme gerade auch wieder auf die Streifentechnik... der Test ist noch nicht abgeschlossen, .es scheint mir aber, dass das Ergebnis nicht das ist, was ich mir vorstelle. Nicht, dass es mit dem streifenweisen Entfernen der Kaschierung nicht kappen würde, jedoch ist der Kartonträger so wellig, dass ohne weitere, zusätzliche Kaschierung diese direkt sichtbar wären.
Schwaben haben einen Nachteil: es gibt zu wenige!

Offline lecar5

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Die Markise von A.... - weiter geht's
« Antwort #6 am: Mai 14, 2016, 23:52:59 Nachmittag »
Weiter im Text.

Die grosse Schadstelle sieht soweit wieder brauchbar aus.



Die letzten Tage ging's in kleinen Schritten voran. Hier und dort etwas reparieren...



Die Längsseiten verstärke ich der Einfachheit halber komplett.





Und nach vielen kleinen und grösseren Reparaturen hier und dort ist der Kartonträger endlich vorbereitet fürs beziehen. Würde ich einen anderen Kleber verwenden würde die Vorbereitung schneller gehen. Beim nächsten Dachhimmel muss ich darüber nachdenken...
Den Test, die Kontur aus der Kaschierung des Bezugs zu schneiden habe ich wieder verworfen. Hierfür drei Gründe: einerseits ist der Stoff ohne Kaschierung wenig opak - ich hätte den Träger also vorher schwarz lackieren müssen sonst wären die Querfugen nicht nur vertieft sondern würden sich auch farblich absetzen. Weiterhin muss ich godsey recht geben, das Ziehen, Schieben und Drücken des Bezugs um im hinteren Bereich keine ganz schlimmen Falten zu bekommen hätte sich schlecht mit dem Muster vertragen. Und letztlich das 'feel ' im 'look and feel', der Stoff ohne Kaschierung fühlt sich hart und wenig wohnlich an. Also zurück zur bewährten Streifen-Technik:



Und heute tut's einen richtigen Schluck, das grosse Kleben beginnt. Die wichtigsten Werkzeuge heute sollen Pinsel, Kleber, Gummiwalze und Cutter-Messer sein.



Zuerst kaschiere ich die groben Ecken, damit diese im fertigen Zustand nicht zu hart wirken.



Dann lege ich ganzflächig eine 2mm dicke Trittschalldämmung auf. Ich verwende die günstigste, nicht des Preises wegen sondern des Gewichts wegen.



Kontaktkleber heisst beide Klebeflächen einstreichen, ablüften lassen, zusammenfügen und andrücken. Es entscheidet der Pressdruck, nicht die Pressdauer über die Festigkeit. Soll heissen, die Gummiwalze bringt den Druck der Verklebung.



In den hinteren Ecken werfen sich wie erwartet Falten.



Soll aber kein Thema sein, einfach die Falte sauber ausarbeiten, zusammenkleben und bündig abschneiden.



Ruck-Zuck ist der Träger flächig mit Trittschalldämmung beklebt, schon geht's los mit der Streifen-Technik.



Und auch das geht an sich recht schnell. Und sieht und fühlt sich irgendwie schon viel wohnlicher aus als der blanke Karton :).



Naja, schnell ist wahrscheinlich nicht ganz reel. Sagen wir... gefühlt schnell :). Jedenfalls geht's gleich weiter damit, den Deck-Stoff aufzulegen.



Beim Deckstoff allerdings verabschiede ich mich davon, beide Klebeflächen zu bestreichen. Der Grund: der Kleber ist recht dünn, ich trage ihn mit dem Pinsel auf. Das führt zwangsweise dazu, dass überall dort, wo viel Kleber ist die gesamte Kaschierung mit Kleber getränkt ist. Beim andrücken auf den Träger ergibt sich so ein eher unschönes Relief, da überall dort, wo die Kaschierung mit Kleber getränkt ist, diese zusammendrück. Also noch etwas schneller arbeiten, den Träger bestreichen, kaum ablüften lassen und mit Deckstoff belegen.



Das Ergebnis ist in Ordnung.

An der Vorderkante wird der Stoff umgelegt und rücklings verklebt.



Im hinteren Bereich bilde ich bewusst je Seite eine Falte aus, ohne lassen sich die 3 Richtungen des Trägers nicht bekleben...



...dann noch alle möglichen Löcher für Sonnenblenden, Handgriffe und Uhr ausschneiden, die Kanten beschneiden und, ta-ta, fertig :)!

« Letzte Änderung: Mai 15, 2016, 00:10:46 Vormittag von lecar5 »
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Offline lecar5

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Re: Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr. Oder frei nach
« Antwort #7 am: Mai 15, 2016, 00:20:09 Vormittag »
Zum Materialaufwand:
Für die Reparatur des Trägers Karton, Holzleim
Fürs Kaschieren und zur Ausarbeitung der Kontur 2 mm Trittschalldämmung einfachste Art, ca. 1 1/2 l Kontaktkleber hochtemperaturfest
Fürs Beziehen kaschierter Stoff, ca. 1,70 x 1,20 m
Die Kosten belaufen sich auf rund 75 EUR

Zum Zeitaufwand:
Fürs Vorbereiten (Reinigung, Reparatur)  des Kartonträgers rund 5 Stunden, wegen der Trocknungszeit des Holzleims verteilt über mehrere Tage
Fürs Kaschieren des Kartonträgers samt Ausarbeiten der Kontur rund 7 Stunden
Fürs Beziehen des Dachhimmels rund 2 Stunden

Jetzt fehlt es nur noch am Einbau, den wird Andreas übernehmen.

Stay tuned, LeCar5

...der, der vor lauter Lösemittel noch ganz tranig ist :)
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Offline lecar5

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Re: Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr. Oder frei nach
« Antwort #8 am: Mai 15, 2016, 00:22:29 Vormittag »
@ Zeitlupenschrauber: beides, Dach und Dachhimmel, nicht entsorgen! Ich würde gerne das Vorkaufsrecht darauf erwerben, da ich schon lange drüber nachdenke, eine Dachhimmel-Repro nicht mit einem GFK-Träger sondern wie original einem Kartonträger aufzusetzen :)!
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Offline The Stig

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Re: Back to black III. Oder: Es ist wieder Frühjahr. Oder frei nach
« Antwort #9 am: Mai 15, 2016, 11:31:27 Vormittag »
...mal wieder, sehr geil :)

...klasse :)
TF Sieger 2014 und "Herr der Ringe"