Im SogMeine beiden Mädels verdrehten schon immer die Augen, als in den letzten Wochen immer wieder einmal ein kleines Päckchen ins Haus kam. Drin war immer ein Buch oder eine DVD, und immer gings ums gleiche Themenfeld: Rallye und die Gruppe B. Da hat sich etwas verselbstständigt, angefangen hat es ganz harmlos als mir Freund Dirk für den Bericht hier drei Medien auslieh:
Die DVD ‚Der Ritt auf dem Feuerball – Gruppe B‘ von Helmut Deimel
Ein toller Film mit vielen tollen Filmszenen, Interviews mit damaligen Grössen. Sehr informativ, sehr schön gemacht, ein aktueller Rückblick auf die damalige Zeit aus Sicht der Menschen, die die Autos pilotierten. Ein kritischer Unterton in den Stimmen ist nur wenig zu hören, der Film zeigt wunderbar eine grandiose Zeit. Ich möchte nicht sagen, dass es ein glorifizierender Rückblick ist, aber ein Rückblick mit Wehmut.
Das Buch ‚Gruppe B – Aufstieg und Fall der Rallye-Monster‘ von John Davenport und Reinhard Klein
Die erschwingliche Gruppe B-Lektüre schlechthin. Alle wichtigen Piloten kommen darin zu Wort, jedes Gruppe-B-Auto wird vorgestellt. Toll gemacht, mit vielen Hintergrund-Infos von John Davenport, der seinerzeit als Co-Pilot die Gruppe B-Jahre erlebt hat und all die ganzen Grössen der damaligen Zeit kennt.
Das Buch ‚Delta S4‘ von Vittorio Roberti & Luca Gastaldi
Was für ein Hammer-Werk rund um den Delta S4! Im Vordergrund steht das Projekt und das Ergebnis daraus, die Rallye-Erfolge werden nur am Rand erwähnt. Viele technische Zeichnungen, viele Bilder der verschiedenen Entwicklungs- und Evolutionsstadien, jede Chassis-Nummer der Corsa-Modelle wird vorgestellt. Sehr aufwändig recherchiert, wahrscheinlich gibt es kein informativeres Werk über den Delta S4.
Ergänzt um meine eigenen DVDs ‚Die Evolution des Driftwinkels‘ 1 und 2 von Helmut Deimel, das Buch ‚Rallye‘ von Reinhard Klein und die Auto Motor und Sport-Sammlung im Keller in jedem Fall genug Material für einen Bericht fürs Forum. Aber einmal Blut geleckt… und wieder ist die Rallye-Leidenschaft aus der Kindheit wieder da

! Mit Rallye verbinde ich wildbeklebte bunte breite laut brüllende kraftstrotzende Autos, die mit wedelndem Heck schneebedeckte Passstraßen wie angebrannt rauf- und runterjagen. Geile Rallye-Autos waren für mich der Fiat 131, der Ascona 400, der Renault 5 Turbo und der Audi Quattro, weil es mutierte Straßen-Autos waren. Der Stratos war viel zu eigen, der hatte nichts mit dem zu tun, was jeden Tag auf dem Schulweg zu sehen war. ‚Skandinavischer Fahrstil‘ hieß es damals, was war das doch spektakulär! Viel mitbekommen von der Rallye-Meisterschaft damals hab natürlich nicht, interessiert haben mich auch nicht die Fahrer oder die Ergebnisse und erst recht nicht die Technik der Autos, einzig diese geilen Karosserien, der Klang, die bunten Farben und der spektakuläre Stil, wie die Dinger auf normalen Straßen um die Ecken drifteten! Damit war ich leider der einzige in unserer Familie…
Anfang der 1980er Jahre, es wird wohl 1981 gewesen sein, hat das im Nachbarort ansässige recht renommierte Vedes-Spielwarengeschäft Neth ein Advents-Preisrätsel veranstaltet. Der Hauptgewinn war ein 50 Mark Einkaufsgutschein - und den hat meine Ma gewonnen. Ich erinnere mich, dass ich dabei war als sie diesen einlösen ging. Natürlich habe ich mich bei den Mädschboks-Audole (Anmerkung der Redaktion: schwäbisch für matchbox-Autos) rumdgedrückt, und da gab es von burago die 1:24 Rallye-Autos, einen 400er Ascona und den noch viiieel geileren gelben Renault 5 Turbo. Damit bin ich schnur-straks zu meiner Ma marschiert, quasi als Vorschlag für die einzig sinnvolle Verwendung ihres Gutscheins. Völlig unverständlich kam sie ihrer elterlichen Verantwortung, den heranwachsenden Rentenzahlern alle möglichen Verwirklichungsoptionen bieten zu müssen nicht nach. Sie entschied sich für ein scrabble-Wortspiel, wie schnöde

. Und mit dem durfte ich später noch nicht einmal das Wort ‚Sex‘ legen, versteht das einer?
Zurück zur Recherche: Im Auto Motor und Sport von 1986 finde ich erstaunlich wenig zum Unfall von Henri und Sergio, weiter oben irgendwo ist ein Bild. Aber einen Bericht über das Verbot der Gruppe B.
…sorry, ich muss nochmals abschweifen: Damals war ich 14, und grundsätzlich war mein Pa nicht Auto-interessiert. Auto-Zeitungen gab es bei uns zu Hause also nicht, Internet war noch nicht wirklich erfunden und die Berichterstattung im Fernsehen war so gut wie nicht existent. Naja, für einen 14jährigen Junior-Petrolhead nicht die besten Voraussetzungen… glaubt mir, die 4 Mark 50 alle 14 Tage für eine Auto Motor und Sport waren das halbe Taschengeld und eine richtige Ansage, so habe ich mir das Magazin echt nur selten gekauft. Dementsprechend hab ich die Rallye-Weltmeisterschaft damals nur sehr lückenhaft mitbekommen. Und davon mal abgesehen hätte ich die Hintergründe und das ganze Ausmaß der Thematik eh nicht verstanden… Dennoch erinnere ich mich an einen Samstag im Januar oder im Februar 1987, als mich mein Pa zur Sportschau rief. Mann, was hab ich mich gefreut, dass Walter und Christian wieder mit dem Audi 200 quattro, was war der doch langweilig im Vergleich zum SportQuattro ein Jahr zuvor!, wieder bei der Monte dabei waren! Und klar habe ich mitbekommen, dass es eine deutliche Restriktion bezüglich Leistung und Geilheit der Autos gab, Rallye-Sport war jetzt eben anders. Aber er war, das war für mich das wichtigste!
Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, bei der Recherche und kaum Berichterstattung in der Auto Motor und Sport. Freund Dirk kommt plötzlich an und schmeisst mir einen Packen RallyeRacing hin, fast den kompletten Jahrgang 1986. Den hat er im Netz geschossen, irgendwas um die 50 Tacken.

Was ist das interessant, sich in die einzelnen Heftchen einzulesen! Das Lebensgefühl von damals kommt wieder auf, die zeitaktuellen Berichte von damals werfen ein ganz anderes Bild auf die Thematik! Röhrl schreibt in seiner Kolumne vom Ausstieg von Audi, der Tod Toivonens, der Unfall von Santos der Portugal-Rallye, später im Jahr der von Marc Surer, eine ganz andere Qualität als die ‚Erinnerungsmedien‘ aus Ende der 2010er Jahre! Bemerkenswert ist wirklich das Verständnis für die ganze Geschichte, das sich entwickelt, wenn man einen ganzen Jahrgang durchschmökert. Plötzlich ist alles nachvollziehbar, als ein Ereignis im chronologischen Ablauf auf ein anderes folgt.
Mit dieser Erkenntnis mache ich mich auf die Suche: zeitgenössische Berichterstattung, da muss es doch etwas geben. Und klar, das kommerziell-orientierte Internet und vor allem ein erfolgreiches Online-Auktionshaus bietet alles. Die Rallye-Jahrbücher sind mir etwas zu teuer, aber hier, die DVD ‚madness on wheels‘… etwas zweifelnd biete ich. Ketzerischer Titel, billige Aufmachung. Scheint irgendein Format aus den 1990er Jahren zu sein, ob das wohl was ist? Die Erwartung ist nicht allzu hoch, als ich die DVD ein paar Tage später ins Notebook schiebe.
Rund 1 ½ Stunden später bin ich völlig geflasht, irritiert, schockiert und einfach sprachlos. DAS hätte ich nicht erwartet – schonungslos wird das kollektive Versagen von FISA, den Veranstaltern, den Zuschauern und den Herstellern im Umgang mit Sicherheit, Verantwortung und Maßhaltigkeit dargelegt, so schonungslos, dass ich froh bin, dass dieses verantwortungslose Reglement überhaupt aber gleichzeitig verärgert bin, dass sie erst so spät abgesetzt wurde. Besonders bewegend sind die Wortmeldungen und Interviews von Miguel Oliviera, Co-Pilot von Joaquim Santos bei der Rallye Portugal 1986 sowie zweier Unfallopfer eben diesen Unfalls. Dieses Bild auf die Gruppe B habe ich sonst nirgends gesehen...
Aber es gibt noch mehr: in den Kleinanzeigen entdecke ich das Buch ‚Die Rallye-Monster‘ von 1987. Zeitgenössische Darstellung, technische Beschreibung und ein paar Hintergrundinfos aller Gruppe B-Autos, zeittypisch schwarz-weiss-Fotos. Auch der Porsche 911 bzw. 959 wird behandelt, auch der kaum bekannte Kadett 4x4, den Opel für 1987 vorbereitete.
Etwas später stosse ich auf die DVD ‚Tour de Corse 1984-1991‘, und stelle wiederum fest, dass zeitaktuelle Berichterstattung einfach so viel gehaltvoller ist als irgendwelche Erinnerungsmedien. Einzelne Episoden, zu jedem Jahr rund 20 Minuten Beitrag, ich vermute, dass es sich um Berichterstattungen für das britische Fernsehen handelt. Der Tiefgang ist einfach etwas ganz anderes als Rückblicke 30 Jahre später auf eine ach so geile Zeit – der Blick ist mit dieser Distanz einfach völlig verklärt!
Lassen wir die Kritik, es war wie es war. Hier noch etwas, mit dem sich der Rallye-Fan eindeutig outet:
https://de.heeltread.com/collections/rally-legends.
LeCar5