Autor Thema: 1 Jahr und 4 Stunden  (Gelesen 12257 mal)

Offline lecar5

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1 Jahr und 4 Stunden
« am: Dezember 09, 2019, 22:14:02 Nachmittag »
Toluol CH3

Wer kennt das nicht? Es riecht irgendwie angenehm und doch macht sich die Vermutung breit, dass es nicht so richtig gut für die Gesundheit sein könnte. Immer dann, wenn ich viel oder längere Zeit mit Lack, Kleber oder Verdünnung arbeite, kommt in mir ein Gefühl von, naja, ich nenne es einmal Gelassenheit auf. Eine Mischung aus Entspannung und Kopfweh trifft es wahrscheinlich besser. Grund dafür ist Toluol, das als Lösungsmittel in diesen chemischen Materialien verwendet wird. Chemisch gesehen ist Toluol ein aromatischer Kohlenwasserstoff, flüssig und farblos, dessen Eigenschaften dem giftigen Benzol ähneln. Toluol ist mehr oder weniger wasserunlöslich, ist dünner als Wasser, schmilzt bei -95° C und siedet bei 111° C und verbrennt mit gelber Flamme stark rußend.
Wird Toluol mit Nitriersäure (eine Mischung aus Salpeter- und Schwefelsäure) nitriert entsteht Trinitrotoluol, dessen durchschlagende Wirkung uns besser als TNT bekannt ist.  Tatsächlich ist TNT an sich bei Brand oder Hitze noch nicht einmal explosiv - erst durch eine Initialzündung oder gar eine Verstärkerladung kommt es zur Explosion. Aufgrund hoher Herstellungskosten wird TNT zumeist im militärischen Bereich, z.B. Granaten und Minen, verwendet.
Wir finden Toluol auch im Benzin wieder: obwohl es eigentlich eher reaktionsträge ist hat es die Eigenschaft, leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische zu bilden. So erhöht es die Klopffestigkeit des Benzins und wirkt dennoch nicht reaktions- bzw. explosionshemmend, wenn das Gemisch erst durch den Zündfunken gezündet wird. Eigentlich echt schlau!
Die Gefahrenhinweise von Toluol besagen Dinge wie Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar, tödliche Wirkung bei Verschlucken bzw. Eindringen in die Atemwege, Hautreizungen, kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen, schädigt Organe und das ungeborene Leben. Die Quintessenz ist, was uns die Mineralölindustrie aber natürlich verschweigt: schwangere Frauen oder stillende Mütter sollen nicht tanken, da sie durch freiwerdende Benindämpfe Toluol einatmen und so ihr Kind womöglich schädigen. Toluol wirkt ermüdend, ruft Unwohlsein hervor, löst Störungen der Bewegungskoordination aus, schlicht ist seine Wirkung narkotisierend. Der menschliche Körper kann Toluol auch bei Hautkontakt in den Blutkreislauf aufnehmen, und trotz aller toxischer Wirkung ist Toluol keine unnatürliche Substanz: es kommt beispielsweise in Erdöl vor und entsteht bei der unvollständigen Verbrennung organischer Stoffe, beispielsweise dem Rauchen. Bestimmt sind auch deshalb seit ein paar Jahren so lustige Sammelbilder auf den Zigarettenschachteln. Der Hype macht mittlerweile auch vor Bier nicht Halt, unglaublich…!


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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #1 am: Dezember 09, 2019, 22:14:30 Nachmittag »
Fast Food

Auch das kennt wahrscheinlich jeder von uns: Wenig Zeit, Nahrungsaufnahme als Muss und überhaupt bleibt in der schnelllebigen Gesellschaft einiges an sozialer Kultur auf der Strecke. Fast Food bedient das niedere Bedürfnis des Menschen: den Stillen von Hunger - allerdings eben nur das. Nachhaltig ist es, zumindest das, was wir heute als Fast Food kennen, nicht: es sättigt kurzzeitig, ist aber nicht anhaltend. Über all das, was im heutigen Fast Food drin ist wollen wir hier besser nicht spekulieren, erst Recht dann nicht, wenn das Fast Food von einer größeren Kette amerikanischen Ursprungs ist. Eine typische Fast Food-Speise ist sicherlich der Hamburger, der aus den Staaten zu uns herübergeschwappt ist. Aber auch die asiatische Küche bietet einiges an ‚schnellem Essen‘, man denke nur an die ganzen Nudelgerichte, die in kleinen Kartons gereicht werden. Zum schwäbischen Fast Food fällt mir im Moment nicht viel ein, möglicherweise gibt es das gar nicht… Schwoba veschbrad (Schwaben vespern) und nehmen sich Zeit dafür, typisch hierbei ist herzhaftes Brot und Schwarzwurst oder Presssack. Und Senf dazu, klar.



Bemerkenswert ist, dass in Pompeji Gebäude freigelegt wurden, die dem, was wir heute unter Schnellrestaurants verstehen, erstaunlich ähnlich sind. Der Ausbruch des Vesuvs, der Pompeji in Schutt und Asche gelegt hat, datiert auf 79 nach Christus. Sollte es frankophile Mitleser hier geben: der Begriff ‚Bistro‘ geht übrigens auch auf Fast Food zurück. Heimgekehrte Soldaten aus Russland haben den Schnellrestaurants diesen Namen gegeben, er leitet sich aus dem russischen быстро = bystro ab, was Nichts anderes als ‚schnell‘ bedeutet.
Im Übertragenen Sinne sehe ich das Internet auch als Fast Food: Wenn ich eben mal irgendetwas wissen muss, spontan etwas nachlesen möchte oder mich sonst irgendwie just eben jetzt informieren möchte bediene ich das Internet. Dort finde ich alles. Und das in einer Menge und Dichte, die seinesgleichen sucht. Die Qualität aber ist zumeist nicht wirklich berauschend – gutes Beispiel ist wikipedia: Es ist bemerkenswert, was da alles drinsteht. Dumm nur, dass absolut jeder sein Wissen und Unwissen damit streuen kann, eine wirkliche Kontrolle ist mir nicht bekannt. Richtige Information, die tiefer geht und mir Hintergründe erläutert, solche, von der ich ausgehen kann, dass sie sauber recherchiert und fundiert ist, auf die ich mich berufen kann, die bekomme ich nur, völlig oldschool, igitt, wie konservativ!, in einem Fachbuch oder einem Lexikon. Oder besser noch in einem persönlichen Gespräch mit jemandem, der sich seit langer Zeit mit der Materie beschäftigt.
Dem aufmerksamen Leser entgeht sicherlich nicht, wie sich Raum und Zeit krümmen und ich meinen Threat hier selbst in Frage stelle...
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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #2 am: Dezember 09, 2019, 22:15:22 Nachmittag »
Wahnwitz

Unter ‚Wahnwitz‘ findet sich im alten ‚Mackensen Deutsches Wörterbuch‘ von 1982 lediglich ein Verweis auf ‚Wahnsinn‘. Naja, und ‚Wahnsinn‘ wird dort mit Geisteskrankheit gleichgesetzt… das Fast Food-Internet gibt (muss ich etwa mein Weltbild überdenken 😊?) etwas mehr her: Wahnwitz ist ‚etwas völlig Unsinniges, Abwegiges oder Unvernünftiges mit oft gefährlichen Risiken‘ oder ‚völliger Unsinn; abwegiges, unvernünftiges, oft auch gefährliches Verhalten, Handeln; Wahnsinn; Irrwitz‘ steht da.
Wo wir gerade bei Duden und der deutschen Sprache sind: Ein vollständiger deutscher Satz besteht mindestens aus Subjekt und Prädikat – so hat es die Tochter jüngst gelernt und das, was ich von meiner Schulkarriere noch im Kopf habe bestätigt. Soll heißen, ‚Ich lese‘ ist ein vollständiger Satz, wogegen ‚keine Ahnung!‘, eine Phrase, die wir derzeit laufend zu hören bekommen, kein vollständiger Satz ist. Timo Salonen mag der deutschen Sprache möglicherweise nicht mächtig sein, bemerkenswert aber ist, dass er noch nicht einmal einen ganzen deutschen Satz benötigt, um Wahnwitz noch viel treffender als Mackensen, Fast Food-Duden und Co. zu beschreiben: „207 km/h. On gravel.“ Faszination, Unvernunft gepaart mit Risiko, was Wahnwitz eben ist, lässt sich besser und knapper nicht beschrieben.


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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #3 am: Dezember 09, 2019, 22:15:57 Nachmittag »
Wettrüsten

Anfang November hat sich der Mauerfall in Deutschland zum 30. Mal gejährt. Ich erinnere mich mehr wirklich an die einzelnen Vorkommnisse dieser Zeit, wie was zueinander ging, wer wann wie mit wem was verhandelt hat und welche Demo wann zu welcher Bewegung in der Politik führte. Am Ende jedenfalls war Günter Schabowski von seiner eigenen neuen Regelung für Reisen ins westliche Ausland so von der Rolle, dass er eine Reporter-Frage bezüglich des Inkrafttretens dieser Regel mit ‚(…) Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich (…)‘ beantwortete, damit die Öffnung der innerdeutschen Grenze anwies und so einen wesentlichen Teil zur deutschen Wiedervereinigung beitrug.

An was ich mich aber sehr gut erinnere ist das Lebensgefühl in dieser Zeit. Es war eine Zeit, in der wie kaum sonst in der Geschichte deutlich wurde, was mit stillem Protest, mit friedlicher Beständigkeit, mit starker Absicht und unzerstörbarem Zusammenhalt des Volks möglich ist. Es war ein Lebensgefühl voller Hoffnung und Erwartung, und auch von Unsicherheit: jeden Abend in der Tagesschau gab es Nachrichten, die noch am Vortag schlicht nicht absehbar und auch nicht vorstellbar waren. Kein Tag war berechenbar, man ist morgens mit dem Wissen aufgestanden, dass am Abend wieder etwas berichtet wird, was die politische Situation in Europa wieder völlig durcheinander bringt - irgendetwas Unvorstellbares passierte immer. Fast so, wie wir es seit Amtsantritt von Donald Trump kennen. Mit dem Unterschied, dass es positive Nachrichten waren... und dann immer dieses Lied ‚Wind of Change‘…

Ich erinnere mich gerne an die 1980er-Jahre. Irgendwie schien alles möglich zu sein. Und auch einfacher, ganz egal, ob politisch Position zu beziehen, mit stylischen Produkten Trends zu setzen oder halbgute Produkte mit pfiffigem Marketing zum Erfolg zu pushen. In der Politik gab es Schwarz, Rot, Gelb und Grün (nein, braun war vor der Wende kein Thema), es gab entweder oder und nichts dazwischen, fertig. Jeder von uns trug Adidas Trophy-Stiefel, hatte ein fettes Marco Polo-Logo aufm Kreuz und träumte vom 750i von BMW. Und wenn wir ehrlich sind: der E-Kadett E war auch damals kein gutes Auto, auch als GSI mit 115 PS nicht. Beim Vectra konnte es Opel von Anfang an nicht verheimlichen…

Nicht, dass die 1980er-Jahre durchweg positiv waren. Ganz im Gegenteil, da gab es Tschernobyl (was in West und Ost auch ein Umdenken nach sich zog: der Erde wäre es egal, wer die Atombombe wirft, verstrahlt ist verstrahlt), Herbst-Übungen der Bundeswehr mit Düsenjäger und Panzern, und ja, Deutschland war voll von Pershings und Tomahawks. Wahrscheinlich war und ist es den wenigsten bewusst, wie kritisch die Situation für Deutschland in den 1980er-Jahren war. Nicht nur, dass Deutschland die Grenze zwischen West und Ost ist, der deutsche Boden wurde von den Weltanschauungen Kapitalismus und Sozialismus als Kanonenfutter gesehen – im Ernstfall wäre bei der ganzen Wettrüsterei zwischen West und Ost ganz Europa unter die Räder gekommen.
So gesehen war 1989 mit all den Ereignissen rund um flüchtende DDR-Bürger, Mauerfall und Wiedervereinigung längst überfällig – es setzte dem Wettrüsten-Wahn endlich ein Ende. Zum Glück geschah alles genau so, wie es geschah.
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 12:28:26 Nachmittag von lecar5 »
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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #4 am: Dezember 09, 2019, 22:16:25 Nachmittag »
Wettrüsten Teil II

1983 liefern sich die Automobilhersteller Audi, Peugeot, Lancia und später noch Austin und Ford in der Rallye-Weltmeisterschaft ein innereuropäisches Wettrüsten. Möglich war dies durch ein recht offenes Reglement, das die FIA 1982 verabschiedete. Die zu erfüllenden Anforderungen, dass ein Autohersteller einen Fahrzeugtyp in der Gruppe B homologieren konnte, sind schnell aufgezählt: mindestens 200 straßenzugelassene Exemplare. Ist der Typ erst homologiert, dürfen darauf jährlich 20 Evolutionsmodelle für den Rallye-Einsatz aufgebaut werden. Diese können hinsichtlich Aerodynamik, Motorleistung, ach, eigentlich in jeglicher Hinsicht nochmals stark modifiziert sein. Was daraus geworden ist fasziniert uns noch heute: die wilde affenoberhammermegageilste Zeit im Rallye-Sport ever!

Btw: der Renault 5 Turbo Typ 8220, wie auch der Audi Quattro wurde Anfang der 1980er-Jahre gebaut und für die Gruppe 4, dem ‚Vorläufer‘ der Gruppe B, homologiert (Auflage damals waren 400 straßenzugelassene Fahrzeuge). Mit Wechsel des Nummern- zum Buchstabenreglement der FIA gab es anfänglich gar keine Gruppe-B-Fahrzeuge und ‚alte‘ Gruppe 4-Autos wurden in der Gruppe B zugelassen, so auch unser 5er Turbo. Der Lancia 037 war der erste Typ, der konsequent nach Anforderung des Reglements aufgebaut wurde, Peugeot zog mit dem 205 Turbo 16 nach, und Audi legte den Sport Quattro auf - ein völlig wahnwitziges Auto: der Vorderwagen von der Audi 80 bzw. 90 Limousine, das Heck vom Coupe… sieht nicht nur irgendwie stulle aus, muss sich wohl auch genauso gefahren haben. Renault war natürlich mit seiner alten Konstruktion aus den 1970er-Jahren mit Heckantrieb und dem kleinen Mittelmotörchen-Konzept auch trotz Turbo-Aufladung bei weitem nicht konkurrenzfähig. So baute Renault 1984 auf Basis des Turbo2 den Typ 8221 mit etwas erhöhtem Hubraum (1.430 ccm statt 1.397 ccm), erreichte die Homologation in der Gruppe B und konnte darauf ein Evolutionsmodell, den Maxi5Turbo, aufbauen, der 1985 bei der Tour de Corse siegreich war. Auch hier zeigt sich der Wahnwitz der Gruppe B: der Aufwand, den Renault betrieben hat, um in der Gruppe B Anschluss zu halten, war immens – und das aber weiterhin mit Hinterradantrieb. In einer Zeit, in der es sich bereits abzeichnet, dass Allrad-Antrieb das einzig siegreiche Antriebskonzept ist…

Tragische Ereignisse begleiten die Ära der Gruppe B. Vermutlich begünstigt durch ein generelles Lebensgefühl von Leichtigkeit. Kein Mensch, weder Hersteller noch FIA noch Zuschauer, kümmern sich um Sicherheit im Rallye-Sport. Den tödlichen Unfall von Attilio Bettega 1985 im Lancia 037 auf Korsika auf das Konto der Gruppe B zu schreiben ist sicherlich nicht gerechtfertigt – ohne die Tragik diffamieren zu wollen wäre solch ein Unfall mit jedem Auto jeder anderen (numerischen) Gruppe ebenso mit tödlichem Ausgang möglich gewesen. Fakt aber ist, dass 1986 die FIA und der Veranstalter der Portugal-Rallye mögliche Sicherheitsvorkehrungen für Zuschauer und Fahrer erst gar nicht in Betracht zogen. Die Strecken waren nicht gesichert, Zuschauer säumten nicht nur die Straßen sondern haben es als Sport entdeckt, möglichst lange auf der Strecke vor dem heranrasenden Rallye-Auto hin- und herzurennen – Pilot und Co-Pilot mussten jegliche Angst, potenziell zum Mörder zu werden, komplett über Bord werfen, um noch halbwegs auf Bestzeit zu fahren.
Es passiert, was passieren musste: Joaquim Santos kann den Ford RS 200 nicht mehr kontrollieren, und rast in die Zuschauermenge. Eine Mutter und ihre beiden Kinder werden getötet, viele verletzt. Und nein, auch hierfür ist die Schuld nicht ausschließlich beim Rallye-Auto der Gruppe-B zu suchen, vielmehr ist es ein Zusammenspiel aus dem Unvermögen der FIA, ein einhaltgebietendes Reglement zu formulieren, der Ignoranz des Veranstalters, für Sicherheit für Teilnehmer und Zuschauer zu sorgen, den gnadenlos reglementsauslegenden Autoherstellern, die auf die Räder stellten, was technisch nur erdenklich war sowie den Zuschauern, die berauscht von der Faszination, die die Autos ausstrahlen, es noch nicht einmal in Betracht zogen, dass physikalische Gesetze real tatsächlich existent sein könnten.

Zurück zu Lancia: Anders als alle Hersteller, die in den 1970er-Jahren im Rallye-Sport vertreten sind, setzt Lancia mit dem Stratos ein Fahrzeug ein, das nicht auf einem Serienmodell basiert, sondern ausschließlich für den Rallye-Sport konzipiert ist. Und das überaus erfolgreich, der konsequent am Reglement ausgerichtete Stratos ist hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Servicefreundlichkeit den anderen Fahrzeugen in der Rallye-WM um Längen überlegen. Als es Anfang der 1980er-Jahre darum geht, in der Gruppe B siegreich zu sein legt Lancia mit dem 037 das gleiche Erfolgskonzept noch einmal auf. Und der Erfolg lässt nicht auf sich warten, Lancia gewinnt 1983 mit den Teams Röhrl/Geistdörfer und Alén/Kivimäki mit dem neuen Typ 037 die Hersteller-Weltmeisterschaft. Allerdings zwingt die Präsenz des Vierradantriebs von Audi und Peugeot Lancia schon 1984 zu einer Neuentwicklung, da der 037 durch seinen Heckantrieb vor allem auf losen, glatten und schlüpfrigen Untergründen dem Allrad-Konzept hoffnungslos unterlegen ist.
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 12:34:07 Nachmittag von lecar5 »
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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #5 am: Dezember 09, 2019, 22:16:53 Nachmittag »
Delta Esse Quattro

Bei der Weiterentwicklung des 037 hält Lancia am bewährten Mittelmotor-Konzept und Gitterrohrrahmen fest, ergänzt aber Allrad-Antrieb und gibt dem Basis-Auto alle erdenklichen Notwendigkeiten mit auf den Weg, um mit den Evolutionsstufen das Gruppe B-Reglement aufs Äußerste ausreizen zu können. Das Entwicklungsprojekt heißt SE 038, das Ergebnis daraus Lancia Delta S4. In der Straßenversion leistet der Motor 250 PS und wird von Turbo UND Kompressor zwangsbeatmet – die Wettbewerbsversion hat um die 500 PS, allerdings muss angenommen werden, dass die letzten Versionen eher knapp unter 600 PS an die Pirellis pressten. Von 0 auf 100 km/h in 2,9 Sekunden, auf 200 km/h in 9,5 Sekunden - egal, ob auf griffigem Asphalt oder losem Schotter… Heute ist der Delta S4 Synonym für die Gruppe B und diese verrückte Rallye-Zeit, weil seine Entwicklung am kompromisslosesten die Regularien des Reglements ausreizte. Wie kein anderes Rallye-Auto vereint er Faszination, Unvernunft und Risiko, und ist sozusagen der Wahnwitz auf Rädern. Aber eigentlich ist S4 der Elativ von Wahnwitz.

Henri Toivonen scheint mit dem Delta S4 endlich sein Auto gefunden zu haben, 1985 bei der Premiere des S4 auf der RAC-Rallye schon war er unschlagbar, den Auftakt der 1986er-Saison in Monte Carlo dominierte er damit wie er wollte. Cesare Fiorio, Sport-Chef von Lancia, sagt später über ihn, dass nur er es verstanden hat, das volle Potenzial des S4 zu nutzen. Toivonen stimmt vor der Portugal-Rallye das Asphalt-Setup des S4 auf dem Formel-1-Kurs von Estoril ab – und radiert eine Zeit in den Asphalt, die innerhalb der 10 schnellsten Formel 1-Autos bei deren Tests wenige Wochen zuvor rangiert. Nur, um die Verhältnismäßigkeit in Erinnerung zu rufen: der Williams FW11 von 1986 wiegt 540 kg, sein 1,5-Liter-6-Zylinder-Motor von Honda mit Turbolader macht im Qualifying-Setup 1.200 PS locker und schafft weit über 300 km/h Spitzengeschwindigkeit. Der Delta S4 Corsa bringt es auf 950 kg, hat wie erwähnt bis maximal knapp unter 600 PS und schafft schrankwandtypische 205 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Zurück zum Thema: Toivonen fährt mit dem S4 in Estoril eine Zeit, die unter die 10 schnellsten Test-Zeiten mit Formel 1-Autos fällt. Mit einem Rallye-Auto. Spätestens jetzt ist klar, wie viele Worte nötig sind, um Wahnwitz einigermaßen treffend zu beschreiben. Sofern man nicht Timo Salonen heißt.
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 12:37:14 Nachmittag von lecar5 »
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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #6 am: Dezember 09, 2019, 22:17:54 Nachmittag »
1 Jahr und 4 Stunden

Miki Biasion startet bei der Tour de Corse 1986 mit dem Delta S4, mit dem er bereits in Portugal an den Start ging. Marku Alén und Henri Toivonen treten mit Chassis-Nummern an, die eigens für Korsika neu aufgebaut wurden. Allen drei Fahrzeugen ist gemeinsam, dass sie 30 kg leichter als die bisherigen Rallye-Delta S4s sind, und ein für Korsika angepasstes Fahrwerks- und Antriebssetup haben. Die 30kg kommen auch daher, weil der völlig überbewertete Unterfahrschutz unter den Tanks weggelassen wurde – schließlich ist Korsika eine reine Asphalt-Rallye, aufspritzenden Schotter, der die Tanks beschädigen könnte, gibt es nicht.

Henri Toivonen schlägt sich seit Tagen mit einer Erkältung und Fieber herum, dennoch scheint es, dass ihn die Behandlung des Team-Arztes eher beflügeln als die Grippe ihn beeinträchtigen würde. Seit der 4. Wertungsprüfung am Vortag fährt er und sein Beifahrer Sergio Cresto auf 14 Wertungsprüfungen ununterbrochen Bestzeit, zur Mittagspause in Corte haben sich die beiden komfortable 2:45 Minuten Vorsprung herausgefahren. Der S4 kommt vollgetankt vom Service, Toivonen gibt sein letztes Interview und macht dabei einen etwas unkoordinierten Eindruck, reißt dennoch ein paar lockere Sprüche und zeigt sich gleichzeitig bewusst ob der Gefahr, die diese Rallye birgt: „This is crazy. This is crazy, even everything is going very well, but if I find trouble so I am unfortuntely complete finished.“. Um 14:40 Uhr machen sich Henri und Sergio auf zum Vorstart der 18. WP von Corte nach Taverna bzw. Ponte Leccia. 14:53 Uhr ist Start, und Sergio, Henri und der S4 stürmen ein letztes Mal los.

Was im Cockpit des Delta S4 mit der Chassis-Nummer 211 auf der engen D18 zwischen Corte und Taverna passiert, wird nie aufgeklärt werden. In einer Linkskurve rutscht das Auto von der Fahrbahn, stürzt etwa 4 Meter die Böschung hinunter und fängt Feuer. Die nachfolgenden Bruno Saby und Jean-Francoise Fauchille mit ihrem Peugeot 205 registrieren zwar das Feuer, können zunächst aber nicht einordnen, dass es sich um einen Unfall handeln könnte. Nach der folgenden Serpentine erkennen sie die Situation, drehen um und kehren zur Unfallstelle zurück. Sie versuchen, Toivonen und Cresto aus dem brennenden Wrack zu retten, müssen aber zum Schutz ihres eigenen Lebens vor einsetzenden Explosionen zurückweichen. Das Wrack brennt völlig aus, die vielfach verwendeten HighTech-Werkstoffe wie Kevlar-Carbon und Magnesium nähren das Feuer unentwegt, der auslaufende Sprit tut alles Übrige.
Saby und Fauchille sowie Miki Biasion mit Beifahrer Tiziano Siviero, die nunmehr auch vor Ort sind, können nichts tun, außer über Funk Hilfe anzufordern – zwar müssen die Gruppe B-Fahrzeuge Feuerlöschanlagen verbaut haben, entnehmbare Hand-Feuerlöscher hingegen sind nicht vorgeschrieben.


Henri Toivonen und Sergio Cresto lassen am 2. Mai 1986 in den Flammen ihr Leben. Auf den Tag genau 1 Jahr nach dem Tod von Teamkollege Attilio Bettega. Und wie er in einem Auto mit der Startnummer 4.

Henri Toivonen
* 25. August 1956
+ 2. Mai 1986
Sergio Cresto
* 19. Januar 1956
+ 2. Mai 1986
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 12:44:26 Nachmittag von lecar5 »
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Offline lecar5

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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #7 am: Dezember 09, 2019, 22:18:45 Nachmittag »
La valée de la Restonica 2019

Viele Erwartungen sind dieses Jahr mit uns nach Korsika in den Sommerurlaub gefahren. Ein nicht wörtlich ausgesprochenes Vorhaben war, die Unfallstelle von Henri und Sergio zu besuchen. Sollte an sich auch kein Thema sein, zumal wir dieses Jahr mehrere Stationen auf Korsika machten und es absehbar war, dass wir recht viel von der Insel sehen würden. Im Vorfeld hatte ich nach entsprechenden Informationen um die Unfallstelle gesurft, irgendwo zwischen Corte und Ponte Leccia muss es sein – dem Filmchen, das ich gefunden habe, kann es nur vor der Serpentine bei Soveria, direkt an der T20, sein. Und da unsere erste Station im Restonica-Tal nahe Corte war kommen wir doch so oder so direkt daran vorbei.

Dachte ich. Tatsächlich fahren wir die Strecke 2x ab, aber von dem doch recht auffälligen Gedenkstein finden wir nichts. Naja, ich möchte die Familie nicht allzu sehr mit meinem Rallye-Fieber stressen, also fahren wir das Hotel an und kommen erst einmal auf der Insel an. Aber wie das nun mal so ist, wenn etwas im Kopf ist muss das auch umgesetzt werden… mit meiner gelben Michelin-Karte melde ich mich bei Christophe, dem Hotel-Betreiber und frage ihn, ob er etwas von dieser Unfallstelle weiß. Ja klar antwortet er, einer seiner Freunde ist Feuerwehrmann und war damals beim Löschen dabei. Ok…?! Wir breiten meine Karte aus und zielsicher macht er ein Kreuz auf der D18, die von Corte nach Castrila führt. Er erklärt mir, dass ich nach dem Kreisverkehr links, gleich wieder links und dann rechts Richtung Porto fahren muss. Na, das scheint ja einfach zu sein!

Und das ist es auch: außerhalb Corte schlängelt sich die D18 recht sanft durch ein breites, offenes Tal mit der typischen korsischen Maccia. Die Strasse ist recht breit, flach und an sich gut ausgebaut – vor 34 Jahren war das bestimmt noch anders.



Dann – tatsächlich, das ist die Szenerie, die ich aus dem Internet-Filmchen kenne, die Links-Kurve, die Mauer, genau, links, auf der dem Hang zugeneigten Straßenseite steht das Denkmal.
Ich halte an und sehe mich um. Hm… es gibt auf Korsika tatsächlich heftigere Kurven als diese hier… wobei, wenn die Straße damals schmäler war… aber dennoch, die Kurve kündigt sich gut an… was aber, wenn die Straße damals noch nicht so breit in den Fels gehauen war… das Denkmal ist genauso, wie ich es von Internet-Bildern in Erinnerung habe, eine Granitplatte, die nach hinten mit Steinen befestigt ist, oben links die Gravur. Oben drauf ist ganz schön gemacht eine weitere Steinplatte in Form der Insel, darin eingelassen eine kleine Vitrine mit einem Delta S4-Modellauto. Und es liegen viele viele Mitbringsel darauf. Hier also hat 1986 das Lancia-Team ein unschlagbar werdendes Piloten-Duo verloren. Und die ganze Rallye-Welt die geilste Zeit, die der Sport jemals erlebte.



Das Wetter ist etwas unbeständig, also drehe ich mein Auto um und fahre zurück. An der geeigneten Stelle Furesta di Forca drehe ich nochmals um, nehme die Kamera in die Hand und fahre physisch und mental die letzten Kilometer mit Henri und Sergio mit. Angeblich gibt es wieder eine Chassis-Nummer 211, das originale Chassis aber sei nicht mehr existent – das, was jetzt diese Nummer trägt ist ein kompletter Neu-Aufbau auf einem jungfräulichen Chassis. Laut war es sicherlich im Cockpit damals. Die Kurven müssen nur so an den beiden vorbeigeflogen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Pilot oder Co-Pilot auch nur im entferntesten etwas von der Schönheit der Landschaft mitbekommen, die sie durchfahren… ok, unbewusst vielleicht den Geruch und die Temperatur. Aber sonst?

Als ich auf die Unfallkurve zusteuere ist es für mich doch unverständlich, warum eben hier das Team von der Fahrbahn abkam – Konzentration ist auf der ganzen Strecke immer zu 120% nötig, wären die beiden vom WP-Start an halbherzig unterwegs gewesen hätte es sie schon früher zumindest 2x reißen können. Vor der Kurve ist ein ca. 200 m langes gerades Stück, hier kann ordentlich Geschwindigkeit zugelegt werden. Die Linkskurve kündigt sich früh erkennbar an, macht dann aber ziemlich hinterlistig zu.







Ich halte wieder an, und um die Szene besser zu verstehen gehe ich die letzten 200 Meter zu Fuß. Richtig nachvollziehen kann ich es noch immer nicht, warum hier zwei Menschen ihr Leben gelassen haben.






Ich gucke über die Mauer, die es damals noch nicht gab.



Und wie wahrscheinlich alle Rallye-Fans klettere ich darüber und den Hang hinunter. Hier ungefähr lag das Wrack, als es Feuer fing bzw. als die Explosionen einsetzten.



Nichts mehr deutet auf das Ereignis hin, die Natur hat alle Spuren weggewischt. Nein, ich scharre nicht im Boden um vielleicht doch noch den einen oder anderen Metallklumpen zu finden, die Pietät gebietet es so. Ich drehe mich nochmals um und erschrecke: obwohl ich weiß, dass Korsen in früheren Jahren gerne ihre verbrauchten Autos an steilen Abhängen entsorgten gruselt es mich, als ich weiter unten das Renault 12-Wrack liegen sehe…



Regen setzt ein. Ich verstehe das Zeichen, dass ich Henri und Sergio ruhen lassen soll, klettere den Hang hinauf, setze mich ins Auto, fahre noch 500 Meter weiter und schaue mir die Unfallstelle von unten an.





Von hier aus müssen Saby und Fauchille erkannt haben, was passiert war und haben umgedreht.

Auf dem Rückweg zum Hotel halte ich vor dem Denkmal nochmals kurz an und dokumentiere die Position für all die, die bei einem möglichen Korsika-Urlaub die Unfallstelle ebenfalls aufsuchen wollen.



In diesem Zusammenhang eine Warnung meinerseits: mich hat die ganze Geschichte so in ihren Bann gezogen, dass ich Wochen und Monate nach unserem Urlaub noch immer im Gruppe B-Sog bin. Was war das doch eine geile, verrückte und völlig unverantwortbare Zeit!
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 12:48:45 Nachmittag von lecar5 »
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Re: 1 Jahr und 4 Stunden
« Antwort #8 am: Dezember 09, 2019, 22:37:25 Nachmittag »
Theorien

Ein weiteres Nachschlagen im ‚Mackensen Deutsches Wörterbuch‘ von 1982 -die ISBN-Nummer übrigens ist 3-88199-078-X, erschienen im Pawlak-Verlag- bringt die Erkenntnis, dass unter Theorie eine „Lehrmeinung; wiss. Betrachtungsweise; Grundsatz; wiss. Erkenntnis.“ zu verstehen ist. Frei nach der Meinung des Autors ist umgangssprachlich darunter eine nicht zwingend nachge- oder bewiesene Vermutung zu verstehen.

Theorien zum Unfall von Henri und Sergio gibt es mehrere. John Davenport widmet im Buch ‚Gruppe B – Aufstieg und Fall der Rallye-Monster‘ dem Toluol eine ganze Seite, stellt die Behauptung auf, dass Formel 1-Teams seinerzeit Treibstoff mit bis zu 84% Toluol-Anteil verwendeten, und das aus gutem Grund: die höhere Dichte und der höhere Flammpunkt von Toluol lässt ein Auto im Brandfall verglichen mit Tankstellen-Benzin langsamer abbrennen. Dumm nur, dass Toluol Gummi und Kunststoffe anlösen kann und durch diese Materialien hindurch diffundiert. Angeblich hatte Henri sich über den starken Benzingestank im Auto beklagt… was ebenfalls Berücksichtigung finden muss ist, dass das Lancia-Werksteam bereits mehrere Tage auf Korsika trainiert hat. Wurden auch die Tests mit Toluol-haltigem Sprit gefahren kann davon ausgegangen werden, dass die Piloten und Co-Piloten einiges an Toluol in sich hatten – schließlich ist es nicht wasserlöslich, das hatten wir ja schon, und wird vom menschlichen Körper nicht ausgeschieden.

Eine andere Theorie besagt, dass Henri aufgrund der Grippe bzw. den verabreichten Medikamenten zur Senkung des Fiebers nicht 100% fit war. Dieser Ansatz kann sicherlich nicht von der Hand gewiesen werden, da einerseits vermutlich jeder dieses Gefühl zwischen kerngesund und völlig platt kennt: Irgendwie fit und irgendwie doch benommen. Andererseits macht Henri in seinem letzten Interview zwar einen lustigen, weil flapsigen aber auch einen echt beängstigenden Eindruck – bei 4:26 geht’s los:



Ob für diesen Zustand ausschließlich Medikamente oder auch die Toluol-Dämpfe verantwortich waren sei einmal dahingestellt.

Die Bremsen an Marku Aléns Auto versagten auf der 1. WP. Es könnte natürlich sein, dass die Bremsen auch an Henri Toivonens Auto versagten. Grundsätzlich möglich ist das, klar. Wenn es sich aber um einen systematischen Fehler im Bremssystem der Delta S4 handelte hätte es womöglich auch Miki Biasions Auto erwischt. Hierüber wird jedoch nichts berichtet, was für mich daher gegen die Bremsversagen-Theorie spricht.

Nochmals Henris Gesundheitszustand betreffend steht im Raum, dass er seit seinem Unfall 1985 auf der Costa Smeralda angeblich hin und wieder unter einer Art Aussetzer litt, wie MG Metro-Pilot Malcom Wilson offenbar berichtete. Hierfür gibt es aber nur Hinweise im fastfood-Internet, zum Beispiel ab 30:41 hier:



Jürgen Schwarz, Journalist für die Rally Racing spekuliert in Ausgabe 6/1986 ebenfalls über den Hergang des Unfalls und stellt weiterhin eine recht lapidare Begründung in den Raum: Sergio Cresto könnte die Brisanz der Linkskurve nicht eindringlich genug ausgedrückt haben. Hm…



Auto Motor und Sport hat ebenfalls eine recht lapidare Erklärung, die kaum sonst irgendwo Erwähnung findet: ‚profillose Rennreifen auf regennasser Fahrbahn‘. Jürgen Schwarz berichtet in der Rallye Racing davon, dass es an der Unfallstelle keine Bremsspur gab, ‚nur einen kurzen Reifenabrieb, der auf heftiges Übersteuern schließen läßt‘. Daraus kann ein Schuh werden: die Regengüsse auf Korsika können im Frühjahr in der Tat sehr lokal begrenzt sein, was heißen soll, dass der überwiegende Teil der bisherigen Rallye mit Slicks gefahren werden konnte, der Start zur WP auf trockener Fahrbahn stattfand und kaum 5 km weiter die Strecke komplett regenüberschwemmt war.



btw: das Bildchen zum Rennsport-Museum in Hockenheim zeigt den Renault 5 Alpine Turbo Coupe von Harald Schörder. Wer etwas in der deutschsprachigen Renault 5-Szene unterwegs ist kennt Auto und Harald bestimmt.

Keine Theorie zum eigentlichen Unfallhergang, aber doch ein wichtiges Detail ist der Umstand, dass aus Gewichtsgründen auf den Unterfahrschutz der Tanks verzichtet wurde. Wäre ein solcher verbaut gewesen wäre der Unfall sicherlich auch passiert. Doch ist naheliegend, dass die Tanks dabei nicht so schwer beschädigt worden wären, als dass Sprit in der Menge ausströmte und das Auto vermutlich langsamer abgebrannt und womöglich nicht explodiert wäre – entscheidende Zeit für Rettungsmaßnahmen.

Aber es bringt alles nichts, letztlich wird die tatsächliche Unfallursache nie geklärt werden. Was an sich aber auch egal ist: die Rallye-Welt hat schmerzlich zwei famose Spieler verloren. Es ist den beiden zu wünschen, dass sie ihren Tod nicht bewusst erleben mussten. Rest in peace, Henri and Sergio!
« Letzte Änderung: Dezember 10, 2019, 12:56:32 Nachmittag von lecar5 »
Schwaben haben einen Nachteil: es gibt zu wenige!

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